Marktwirtschaft: Grundzüge und Grundprobleme

Marktwirtschaft: Grundzüge und Grundprobleme
Marktwirtschaft: Grundzüge und Grundprobleme
 
In Deutschland, den Vereinigten Staaten und den meisten anderen demokratischen Ländern werden wirtschaftliche Fragen überwiegend über den Markt und die dort erfolgende Preisbildung gelöst. Daher nennt man diese Wirtschaftssysteme auch Marktwirtschaften. Die realen Marktwirtschaften weichen teilweise erheblich vom Idealmodell einer freien Marktwirtschaft ab. Das Modell lässt sich anschaulich anhand der Hauptgedanken ihres Vordenkers Adam Smith (1723 - 1790) beschreiben.
 
 Historische Wurzeln der Marktwirtschaft
 
Die Idee der Marktwirtschaft stammt aus der Kritik an der staatlichen Bevormundung der Wirtschaft im Merkantilismus. Der Merkantilismus war die Wirtschaftsordnung im Zeitalter des Absolutismus, deren wirtschaftspolitische Hauptziele die Vergrößerung des nationalen Reichtums und die Ausdehnung der Macht des Staates waren. Die gedanklichen Grundlagen der Marktwirtschaft formulierte der britische Nationalökonom Adam Smith im Jahre 1776 in seinem Hauptwerk »Untersuchung der Natur und Ursachen von Nationalreichthümern«(auch als »Der Wohlstand der Nationen«). Ein Zitat aus diesem Werk verdeutlicht sein Gedankengut: »Nicht durch das Wohlwollen des Fleischers, des Brauers oder des Bäckers dürfen wir erwarten, uns zu sättigen, sondern durch die Wahrung ihrer Eigeninteressen.« Er interpretierte die Marktwirtschaft als ein »System der natürlichen Freiheit«, in dem - unbeschränkte Konkurrenz vorausgesetzt - das vom Selbstinteresse geleitete Handeln der Individuen zu einem sozialökonomischen Optimalzustand gelenkt wird.
 
 Das Modell der freien Marktwirtschaft
 
Eine freie Marktwirtschaft ist eine Wirtschaft, in der die Wirtschaftssubjekte (Haushalte und private Unternehmen) alle Entscheidungen über Produktion und Konsum selbst treffen. Preise, Märkte, Gewinne, Verluste, Anreize und Belohnungen bestimmen, was, wie und für wen produziert wird. Unternehmen produzieren die Güter, die den höchsten Gewinn erwarten lassen (»was«), mit den kostengünstigsten Produktionsmethoden (»wie«). Der Konsum wird durch die Entscheidung der Haushalte darüber bestimmt, wie sie ihr Einkommen aus Arbeit und Vermögen ausgeben möchten (»für wen«). Das bedeutet, es gibt keinen zentral vorgegebenen Wirtschaftsplan, an den sich alle halten müssen, sondern Haushalte und Unternehmen bilden ihre eigenen individuellen Verbrauchswirtschaftspläne, Einkommenspläne oder Produktionspläne. Der Preis als lenkende Hand koordiniert Angebot und Nachfrage. Dieser Mechanismus kann nur funktionieren, wenn Unternehmen die Freiheit haben, entsprechend ihrer Gewinnerwartungen zu produzieren, und private Haushalte sich frei unter den am Markt gegebenen Möglichkeiten entscheiden, also ihren Nutzen maximieren dürfen.
 
Jeder Einzelne strebt nach seinem Glück und trägt, ohne sich dessen bewusst zu sein, seinen Teil dazu bei, das Gemeinwohl zu verbessern. Unternehmer, die Marktlücken entdecken oder neuen Bedarf wecken, haben Markterfolg und erzielen Gewinne. Unternehmer, die hingegen nicht bedarfsorientiert produzieren, erleiden Verluste und müssen früher oder später aus dem Markt ausscheiden. Dieses Wettbewerbsprinzip gilt auch für den Arbeitsmarkt und den Kapitalmarkt.
 
 Der Staat als Nachtwächter
 
Im Modell der freien Marktwirtschaft spielt der Staat eine Nachtwächterrolle und greift nicht aktiv in das Wirtschaftsgeschehen ein. Er beschränkt sich als Gesetzgeber auf die Ordnungspolitik und schafft die notwendigen Rahmenbedingungen. Die Individuen können weitgehend Gewerbe, Beruf und den Ort ihrer Tätigkeit selbst bestimmen. Unternehmen werden lediglich durch allgemeine Gesetze und Verordnungen sowie die Wünsche der Nachfrager am Markt beschränkt. Vertragsfreiheit und Rechtsstaaatlichkeit bilden notwendige Voraussetzungen der Marktwirtschaft. Die Marktbeteiligten einigen sich selbst über die Bedingungen, unter denen sie Verträge abschließen wollen. Das deutsche Kaufrecht ist größtenteils entsprechend dem Grundsatz der Vertragsfreiheit gestaltet. Nur im Falle, dass keine speziellen Formulierungen getroffen wurden, gelten ersatzweise gesetzliche Regelungen.
 
 »Mein Haus, mein Auto, mein Boot...«
 
In der Marktwirtschaft sind die Produktionsmittel - das Kapital - im Privatbesitz (daher auch die Bezeichnung Kapitalismus). Jeder kann frei entscheiden, wie er sein Einkommen aus Arbeit und Vermögen verwendet. Es kann gespart oder konsumiert werden. Private können ihr Kapital auch Unternehmen zur Verfügung stellen oder selbst einen Betrieb eröffnen. Das Einkommen in der Marktwirtschaft ist Ausdruck der persönlichen Leistung und Risikobereitschaft. Das Privateigentum ist Statussymbol der Erfolgreichen. Ein Eingreifen in die aus dem Marktgeschehen resultierende Wohlstandsverteilung findet in der freien Marktwirtschaft nicht statt. Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zur Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland.

Universal-Lexikon. 2012.

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